Geschichte der Zulassungen und Kennzeichen
Inhalt
- Einleitung und Erläuterungen
- Epoche 1990-heute – Wiedervereinigung bis Gegenwart
- Epoche 1956-1990 – Zwei Deutsche Staaten
- Epoche 1945-1956 – Besatzungszeit und Besatzungszonen
- Epoche 1933-1945 – NS-Diktatur und II. Weltkrieg
- Epoche 1880-1933 – Kaiserzeit und Weimarer Republik
- Historische Einblicke – Die erste Fahrerlaubnis
- Historische Einblicke – Die erste Fernfahrt und der erste Tankstopp
- Historische Einblicke – Das erste deutsche Kennzeichen
Einleitung und Erläuterungen
Kraftfahrzeug-Zulassung und Kraftfahrzeug-Kennzeichen sind untrennbar miteinander verbunden und bedingen einander. Ein Kennzeichen, oder umgangssprachlich „Nummernschild“, ist der deutlich sichtbar am Fahrzeug angebrachte, physische Nachweis über den abgeschlossenen, hoheitlichen Verwaltungsvorgang der Zulassung des betreffenden Fahrzeugs für den öffentlichen Straßenverkehr. Genau aus diesem Grund ist ein Kennzeichen immer noch gesiegelt, wie überhaupt der gesamte Vorgang seit rund 150 Jahren im Prinzip unverändert fortgeführt wird.
Aber, nur im Prinzip, denn im Detail hat sich unzählige Male vieles verändert. Viel mehr im Laufe der Zeit, als man erwarten könnte oder sollte. Regierungen kommen und gehen, ebenso Verwaltungen und deren administrative Systeme, Grenzen werden verschoben, Menschen und Dinge verändern und entwickeln sich permanent weiter. Unser aktuelles verwaltungstechnisches System zur Zulassung von Fahrzeugen und zur Vergabe von Kennzeichen basiert im Wesentlichen auf dem bereits 1956 eingeführten. Aber wie ist es dazu gekommen und was ist bis heute daraus geworden?
In dieser historischen Betrachtung befassen wir uns mit der Geschichte der Kraftfahrzeug-Zulassung und Kraftfahrzeug-Kennzeichen von den Anfängen in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Dazu haben wir die markanten Epochen thematisch jeweils in Blöcken zusammengefasst, die jeweils auch eine zeitgeschichtliche Karte enthalten. Diese ist jedoch in sehr morderner Form digital ausgeführt. Außerdem bieten wir in verschiedenen Abhandlungen und Anekdoten Einblicke in historische Hintergründe und Ereignisse, die schon immer von Interesse waren, aber nie vollständig im historischen Kontext geklärt wurden.
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Die auf dieser Seite dargestellten geschichtlichen Grundlagen und Erläuterungen zu den verschiedenen digitalen Karten können auch dazu dienen, die historischen Gegebenheiten mit den aktuellen in ein beliebiges Verhältnis zu setzen. Denn diese Karten sind als separate Ebenen auch in der digitalen Karte der „Geografischen Übersicht aller aktuellen deutschen KFZ-Kennzeichen“ verfügbar, die beliebig ein- oder ausgeblendet werden können.
So kann man beispielsweise feststellen, dass es beim Vergleich der Grenzverläufe der alten Bundesländer in verschiedenen Epochen Überschneidungen und Abweichungen geben kann, die man vermeintlich als Fehler oder unsaubere Digitalisierung halten könnte. Bei genauerem Betrachten jedoch kann man entdecken, dass es sich beispielsweise um den Fall der Gemeinde Amt Neuhaus und Teile der Stadt Bleckede handelt, die eigentlich zum Landkreis Lüneburg in Niedersachsen gehören. Beim Vorstoß der Roten Armee bis an die Elbe bei Lauenburg 1945 wurde jedoch auch der Grenzverlauf der Sowjetischen Besazungszone auf den Verlauf der Elbe verschoben. Die beiden Gemeinden gehörten deshalb seitdem zum Bezirk Schwerin der DDR und konnten erst 1993 per Rückgliederung mit ihrem Landkreis Lüneburg wiedervereinigt werden.
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1990-heute
Wiedervereinigung bis Gegenwart
Der wirtschaftliche Zusammenbruch der Sowjetunion und in der Folge auch der Deutschen Demokratischen Republik und die friedliche Revolution der Menschen in der DDR führten in den Jahren 1989 und 1990 zur Wiedervereinigung Deutschlands. Mit dem am 12.09.1990 in Moskau geschlossene „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ zwischen den beiden deutschen Staaten einerseits und den vier ehemaligen alliierten Siegermächten andererseits endete die Existenz des geteilten Deutschlands. Der Vertrag gilt als die endgültige Friedensregelung nach dem Zweiten Weltkrieg und als endgültige Beendigung aller Rechte und Verantwortlichkeiten der vier Siegermächte.
Mit dem offiziellen „Beitritt“ der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 endeten alle Verwaltungsstrukturen der DDR und es wurden die der BRD übernommen. Aus den 15 Bezirken der ehemaligen DDR wurden die fünf neuen Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen gebildet, deren Grenzen sich weitgehend an den historischen Vorbildern orientieren.
In rund 200 Kreisen und kreisfreien Städten in den fünf neuen Bundesländern mussten neue Unterscheidungszeichen nach dem seit 1956 existierenden Kfz-Kennzeichen-System eingeführt werden. Dazu waren unter anderem drei gravierende Kreisgebietsreformen bis 2011 erforderlich. Das bisherige Kennzeichen-System der DDR erlosch vollständig.
1956-1990
Zwei Deutsche Staaten
In der Zeit der Besatzung, noch bevor definiert worden war, wie die künftige politische Ordnung Deutschlands endgültig aussehen sollte, musste zwingend die öffentliche Ordnung in deutscher Selbstverwaltung wieder etabliert werden. In allen vier Besatzungszonen kam es ab 1946 deshalb zur Wiederherstellung bereits bestehender und zur Gründung völlig neuer Länder. Teilweise wurde bewährtes wieder belebt, teilweise kam es dabei aber auch zu gänzlich willkürlichen Grenzfestlegungen, die sich an den zufälligen Grenzen der Besatzungszonen orientierten, die widerum auf die Eroberungslinien der Alliierten zurückgingen.
Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland in den Besatzungszonen der drei West-Alliierten waren auch 13 neue Bundesländer entstanden. Aus den ursprünglichen Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern entstanden jedoch 1952 durch Zusammenschluss per Volksentscheid das Bundesland „Baden-Württemberg“. Damit gab es 11 Bundesländer in Westdeutschland. Gleichzeitig wurden mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik in der sowjetischen Besatzungszone 15 Bezirke gebildet, die zu den Bundesländern in der BRD adäquate Verwaltungseinheiten darstellten. Hier wurde bereits 1953 eine Weiterentwicklung des Systems der preußischen Kennzeichnung etabliert. In der BRD wurde 1956 das bis heute gebräuchliche Kennzeichensystem eingeführt.
1945-1956
Besatzungszeit und Besatzungszonen
Mit der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 endete der zweite Weltkrieg, die Existenz des nationalsozialistischen Deutschen Reichs und damit auch aller bisherigen Regierungs- und Verwaltungsstrukturen. Die vier Siegermächte übernahmen die oberste Regierungsgewalt und teilten Deutschland im „Potsdamer Abkommen“ in vier Besatzungszonen und Berlin in vier Sektoren auf. Jede Siegermacht bestimmte in ihrer Zone bzw. ihrem Sektor die wirtschaftliche und politische Entwicklung nach ihrem Ermessen.
Um die beiden Ziele der Entnazifizierung und der Schaffung eines demokratischen neuen Deutschlands zu verfolgen, wurden von den Alliierten alle bis dahin existierenden Strukturen von Regierung, Verwaltung und Administration zerschlagen. Für Zulassungsvorgänge und die Fahrzeug-Kennzeichnung wurden übergangsweise in mehreren Schritten vereinfachte Systeme eingeführt, bei der die Unterscheidungszeichen einen regionalen Bezug hatten und sich außerdem durch die Farbgebung auf die jeweilige Besatzungszone bezogen.
Die Epoche der Besatzung dauerte an bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23.05.1949 und der Deutschen Demokratischen Republik am 07.10.1949. Das Besatzungsstatut der BRD wurde endgültig 1952 mit dem „Deutschlandvertrag“ aufgehoben. Im Zusammenhang mit Zulassungsvorgängen und Nummernschildern wirkte die Besatzung jedoch noch bis zur Einführung des aktuellen Kennzeichensystems 1956 nach.
1933-1945
NS-Diktatur und II. Weltkrieg
Nach der Machtübernahme 1933 begann die NSDAP damit, die historisch gewachsenen Verwaltungsstrukturen der Kaiserzeit und der Weimarer Republik in ihrem Sinne neu zu organisieren. In Folge dessen wurden unzählige kleinere und größere Neuregelungen und Gleichschaltungen, aber auch Vereinheitlichungen in amtlichen Vorgängen vorgenommen, die auch die Verfahren der Zulassungen und Vergabe von Kennzeichen betrafen. Grundsätzlich wurde jedoch das bereits seit 1906 existierende, nicht sonderlich einheitliche System der polizeilichen Kennzeichen beibehalten und weiter ausgebaut. Sogenannte “Gaue” traten an die Stelle der überwiegend aus Freistaaten und Freien Städten bestehenden, ehemaligen 18 Länder der Weimarer Republik, die zunächst aber überwiegend geografisch deckungsgleich waren. Bis 1938 ergaben sich einige mehr oder weniger zivile, mit Eintritt des Krieges dann nur noch militärische, territoriale Neugliederungen. Es folgten komplexe Klassifizierungs-Systeme für die verschiedenen Waffengattungen von Reichswehr und Wehrmacht, für eroberter Gebiete, militärischen Befehlshaber, Zivilverwaltungen und Sicherheitsorgane. Hinzu kamen allgemeine Verordnung über die Zuweisung von Nummernblöcken und ganzen Kennzeichenserien. Neben den offiziellen Kennzeichen gab es auch noch eine Vielzahl von halboffiziellen oder auch selbstgewählten Nummerierungen. Bis heute tauchen deshalb immer mal wieder Nummernschilder auf, die keinem System folgen und Sammler in Erstaunen versetzen.
1880-1933
Kaiserzeit und Weimarer Republik
Schon bald, nachdem seit 1885 die ersten praxistauglichen Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren existierten, wurde es zwingend erforderlich, die Fahrer der neuen Gefährte identifizieren zu können. Mit der Zunahme von Fahrrädern und Automobilen im Straßenverhkehr im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts nahm auch die Anzahl von Unfällen und Fahrerfluchten erheblich zu. Es wurden juristische und verwaltungstechnische Maßnahmen erforderlich, die den Betrieb der neuen Fahrzeugarten reglementierten.
In Paris wurde die polizeiliche Erlaubnis zum Betrieb eines Motorfahrzeugs und ein personalisiertes Nummernschild bereits 1893 vorgeschrieben. In den Ländern, Provinzen, Kreisen und Städten des Deutschen Reichs erfolgten Zulassungen, Registrierungen und Beschilderungen zunächst invividuell und uneinheitlich. Im Großherzogtum Baden wurden ab 1896 Zulassungen und amtliche Kennzeichen für Automobile ausgegeben. In Hessen sind seit 1898 Kennzeichen bekannt, die auf den jeweiligen Zulassungsbezirk bezogen waren und seit 1899 ist die Anbringung einer „Nummerplatte“ vorgeschrieben. Seit dem 03.05.1906 regelte ein Reichsgesetz die „Grundzüge betr. den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“. Damit galt für alle 26 Länder des Deutschen Reichs erstmals ein einheitliches System zur Vergabe polizeilicher Kennzeichen und auch das Rechtsfahrgebot. Seit 1928 ist auch die äußere Form des Nummernschilds verbindlich geregelt: Weiß mit schwarzem Rand und schwarzer Schrift. Siehe auch: Deutsche Kennzeichen 1906-1945
Historische Einblicke – Die erste Fahrerlaubnis
Auf seinen ausdrücklichen Antrag hin erteilte am 1. August 1888 unter dem Aktenvorgang „No 5: 222“ das Großherzoglich Badische Bezirksamt in Mannheim die erste, historisch belegte Fahrerlaubnis an Herrn Carl Benz. Entgegen vieler anderslautender Darstellungen handelt es sich bei dieser ersten Fahrerlaubnis nicht um einen Führerschein. Der „Herr Benz“ wird in diesem Dokument namentlich lediglich als juristischer Vetreter seiner „Rheinischen Gasmotoren-Fabrik“ genannt. An eine personenbezogene Erlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs – denn nur das wäre dann ein Führerschein gewesen – war zu diesem historischen Zeitpunkt noch gar nicht zu denken. Es dauerte noch rund 20 Jahre (Reichsgesetz vom 3. Mai 1909) bis die Regierungen und Verwaltungen in Deutschland eine erste einheitliche und rechtsverbindliche Regelung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen schufen und damit auch den für das gesamte Deutsche Reich gültigen Führerschein. Der Führerschein ersetzte landesweit die bereits vorher in vielfachen Variationen regional ausgestellten „Lenker-Ausweise“, „Motorwagen-Erlaubnis-Scheine“ oder „Chauffeur-Bestätigungen“ und die bereits 1903 in Preußen eingeführte Fahrprüfung mit anschließender Fahrerlaubnis.
Die 1888 erteilte Erlaubnis bezog sich vielmehr eindeutig darauf, den von der Rheinischen Gasmotoren-Fabrik hergestellten Patent-Motorwagen auf „den Straßen und Wegen der Gemarkung Mannheim“ und den angrenzenden Regionen zu versuchsweisen Fahrten nutzen zu dürfen. Es handelt sich aus verwaltungstechnischer und juristischer Sicht also eindeutig um die erste – wenn auch provisorische – Zulassung eines Kraftfahrzeugs durch eine Verwaltungsbehörde. Ein Kennzeichen allerdings gab es noch nicht.
Historische Einblicke – Die erste Fernfahrt und der erste Tankstopp
Die wohl berühmteste und erste historisch belegte Fernfahrt mit einem Automobil unternahm noch im August 1888 – mit der frisch ausgestellten ersten Zulassung – denn auch nicht Carl Benz persönlich, sondern seine Ehefrau Bertha Benz gemeinsam mit ihren beiden Söhnen Eugen und Richard. Mit dem „Benz Patent-Motorwagen Nummer 3“ absolvierte sie die etwa 104 Km lange Strecke von Mannheim in ihre Geburtsstadt Pforzheim und fuhr drei Tage später über eine andere Route wieder zurück. Auch der erste historisch belegte Tankstopp fand im Rahmen dieser Fahrt statt. Und zwar bei der an der Wegstrecke gelegenen Wieslocher Stadt-Apotheke, die das Fahrzeug mit dem dort in ausreichender Menge verfügbaren Wasch- oder Wundbenzin (Ligroin, Leichtbenzin) als Kraftstoff versorgte. Die Fahrt, die sie ohne das Wissen ihres Mannes angetreten haben soll, trug wesentlich dazu bei, die noch bestehenden Vorbehalte potentieller Kunden gegen das neu entwickelte Fahrzeug zu zerstreuen, und ermöglichte in der Folge den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Die Fahrstrecke ist heute als „Bertha Benz Memorial Route“ ausgewiesen und mit diversen Hinweistafeln und Plaketten gekennzeichnet. Alljährlich im Sommer wird diese Route gerne für Oldtimer-Ausfahrten verschiedener Vereine genutzt und vor der noch existierenden Wieslocher Stadt-Apotheke wird Bertha Benz mit einem Denkmal geehrt.
Historische Einblicke – Das erste deutsche Kennzeichen
Um das erste deutsche KFZ-Kennzeichen ranken sich unzählige Geschichten und Annkdoten. Gerne wurden solche Erzählungen im Laufe der Zeit immer weiter ausgeschmückt. Es bildeten sich Legenden, die oft nur zu gern ungeprüft übernommen und weiter verbreitet wurden.
Die ersten Kennzeichen an Fahrzeugen wurden zwingend erforderlich, weil die Fahrerflucht nach Unfällen schon sehr früh ein ernstzunehmender Tatbestand wurde und es keine Möglichkeit gab, die flüchtenden Unfallverursacher zu identifizieren. Aus diesem Grund begannen historisch belegt bereits zwischen 1870 und 1890 einige regionale Behörden in Deutschland Nummernschilder für Fahrräder vorzuschreiben. In Paris wurde wegen dieser Problematik die polizeiliche Erlaubnis zum Betrieb eines Motorfahrzeugs in Kombination mit einem personalisierten Nummernschild bereits 1893 zwingend vorgeschrieben. Regelmäßig wurden im Großherzogtum Baden ab dem Jahr 1896 Zulassungen und amtliche Kennzeichen für Automobile ausgegeben, was hinreichend durch entsprechende Verwaltungsdokumente belegt ist. Verwaltungstechnische Routinen in Hessen mit Kennzeichen, die erstmals auf den jeweiligen Zulassungsbezirk bezogene Kürzel in Form von Buchstaben aufwiesen, sind ab 1898 belegt. Bis zum Reichsgesetz über die „Grundzüge betr. den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“ am 03.05.1906, welches ein einheitliches System zur Vergabe polizeilicher Kennzeichen und auch das Rechtsfahrgebot für alle 26 Länder des Deutschen Reichs erstmals verbindlich regelte, schufen beinahe alle Länder, Kreise und Städte ganz individuelle und gelegentlich auch phantasievolle Lösungen.
Das erste KFZ-Kennzeichen in Deutschland wurde jedoch wahrscheinlich bereits vier Jahre zuvor in Berlin ausgegeben. Die erste polizeiliche Zulassung mit der Kennung „IA-1“ erging an den Inhaber des gleichnamigen Großkaufhauses, Herrn Rudolph L. Hertzog jr., für seinen Daimler-Stahlradwagen („Motor-Quadricycle“, auch „Schroedter-Wagen“) mit Kettenantrieb und Faltverdeck. Von diesem hochexklusiven Fahrzeug wurden bis 1895 gerade einmal zwölf Stück gefertigt und es wird heute gelegentlich nicht zu unrecht als das älteste Repräsentationsautomobil bezeichnet. Die Zulassungsakten der Berliner Behörden aus dieser Zeit existieren leider nicht mehr. Aber das Deutsche Automobil-Adreßbuch und Geschäftsbücher bzw. Vertriebunterlagen der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) sind teilweise erhalten. Außerdem unzählige, nicht systematisch archivierte Dokumente der Rudolph Hertzog-Dynastie und vor allem zeitgenössische Photographien und Presseartikel.
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Der exakte Zeitpunkt ist nicht zweifelsfrei belegt, da für den Verwaltungsvorgang der ersten Zulassung durch Rudolph Hertzog selbst heute leider keine Belege mehr existieren. Es ist aber davon auszugehen, dass die Ausgabe des Kennzeichens zwischen 1892 und 1898 erfolgte. Das bei Greiner & Pfeiffer in Stuttgart im Dezember 1909 aufgelegte Deutsche Automobil-Adreßbuch gilt als zuverlässige Quelle, denn es basiert vollständig auf amtlichen Angaben. So können alle Automobilbesitzer des Deutschen Reichs zwischen 1886 und dem Zeitpunkt des Erscheinens mit ihren zugewiesenen Kennzeichen eindeutig identifiziert werden. Leider enthält diese in Listenform geführte und nach Zulassungsbezirken sortierte Quelle nicht die konkreten Zeitpunkte der jeweiligen Fahrzeug-Zulassungen. Aber diese Quelle liefert eine zuverlässige und eindeutige chronologische Abfolge der erfassten Zulassungen. Wundern darf man sich allerdings, dass die preußische Gründlichkeit offenbar nicht dazu ausreichte, die Namen unzähliger bedeutender Persönlichkeiten der Gesellschaft korrekt zu erfassen.
Aus den unmittelbaren Daten des Adressbuchs in Kombination mit anderen verlässlichen Quellen kann für die Zulassung „IA-1“ kein exaktes Datum ermittelt werden. Aber einige unmittelbar begleitende und zweifelsfrei nachweisbare Daten über andere Personen lassen ebenfalls eindeutige, chronologische Rückschlüsse und konkrete Zeitbestimmungen zu. So gelang es, für die Zulassung zwischen „IA-21“ und Zulassung „IA-54“ durch den Abgleich mit anderen Daten teilweise exakte Zulassungstermine zu ermitteln. Und mittels dieser Daten ist eine chronologische Einordnung für das Kennzeichen „IA-1“ auf einen Zeitpunkt vor Dezember 1898 verlässlich möglich.
Das ebenfalls „berühmte“ Kennzeichen mit der schwarzen 1 auf gelbem Grund wurde am 14.04.1899 von der Stadt München an die Familie Beissbarth ausgegeben und befindet sich heute im Deutschen Museum in München. Es ist definitiv das älteste Nummernschild Bayerns, aber nicht das erste Deutschlands.
Die zugrundeliegende Motivation und die sachliche Notwendigkeit, den Fahrer eines Kraftfahrzeugs identifizieren zu können, führte offenbar dazu, dass die in Berlin in dieser frühen Zeit ausgegebenen Kennzeichen einer natürlichen oder juristischen Person, und nicht einem konkreten Fahrzeug zugeordnet wurden. Deshalb verblieben die einmal auf den Namen „Rudolph Hertzog“ registrierten Zulassungsnummern und die dazugehörigen Kennzeichen im Besitz der Familie bzw. des Handelsunternehmens. Soweit nachvollziehbar, müssen unter dem Kennzeichen „IA-1“ zwischen 1992 und 1909 drei verschiedene Fahrzeuge am Straßenverkehr teilgenommen haben.
Die immer mal wieder in unzähligen verschiedenen Versionen und Varianten zitierte Anekdote, dass Kaiser Wilhelm II gegen die oben beschriebenen Zulassungen geklagt habe und auf der Herausgabe des Kennzeichens „IA-1“ bestehe, muss dagegen wohl in die Welt der Fabeln verwiesen werden. Wilhelm II hatte zunächst jahrelang gegen die stinkenden, knatternden und mit unmöglichen Tröten ausgestatteten Automobile gewettert, die regelmäßig die Pferde seiner Offiziere auf den Straßen und an seinen Exerzierplätzen erschreckten. Sein öffentlicher Ausspruch „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung.“ ist mehrfach belegt. Erst nachdem sich das Automobil etabliert und die Automobiltechnik eine rasante Entwicklung erfahren hatte, begann sich der Kaiser nach der Jahrhundertwende schon deshalb für die Knatterkisten zu interessieren, weil jeder, der Rang und Namen hatte, mittlerweile mindestens eines besaß. Berlin gehörte zu dieser Zeit zu den wichtigsten Schauplätzen der Automobilität. Diverse Einladungen hochgestellter Persönlichkeiten zu gemeinsamen Ausfahrten weckten dann doch das Interesse des Kaiser am Automobil und er soll später – wenn man der zeitgenössischen, einschlägigen Tagespresse Glauben schenken darf – zu einem der ersten berühmten Automobil-Enthusiasten geworden sein. Allerdings blieben seine Vorbehalte gegenüber Verbrennungsmotoren teilweise bestehen. Bereits 1907 umfasste sein Fuhrpark auch mindestens zwei strombetriebene Fahrzeuge. Interessant ist in diesem Zusammnenhang und auch im Hinblick auf die Gegenwart die Tatsache, dass im Jahr 1905 in der Hauptstadt des Deutschen Kaiserreichs mehr E-Autos als Benziner verkauft und zugelassen wurden.
Für eine offizielle, juristische Klage hingegen konnte niemals ein Beweis oder Anhaltspunkt, ja nicht einmal die geringste Spur gefunden werden. Insbesondere die oft zitierte, angebliche Beschwerde des Kaisers, dass er mit dem Kennzeichen „IA-2“ nicht zufrieden gestellt werden könne, kann schon aus sachlichen Gründen zwangsläufig nur falsch sein. Denn dieses Kennzeichen wurde nachweislich ebenfalls bereits 1992 von Rudolph Hertzog registriert. Ebenso wie das Kennzeichen „IA-5“ und weitere 22 Kennzeichen bis zum Jahr 1909. Zum Zeitpunkt der angeblichen Klage des Kaiser war die Liste der in Berlin registrierten Fahrzeuge bereits auf über 4.300 angewachsen. Ebenfalls nur mit Presseberichten belegt ist die Begebenheit, die wohl den Kern der ganzen Legende bildete, dass sich in der Angelegenheit jemand aus dem Umfeld des Kaisers an den Polizeipräsidenten Berlins gewandt haben soll. Dieser soll entschieden haben, dass seine Majestät über dem gewöhnlichen Straßenverkehr stehe und deshalb weder eine Zulassung, Registrierung oder ein Kennzeichen benötige. Tatsächlich taucht seine kaiserliche Majestät oder einer seiner verwaltungstechnischen, stellvertretenden Beamten jedenfalls in keiner Inhaberliste eines Kraftfahrzeugs auf. Ein interessantes und seltenes Zeitdokument dazu ist: „Kaiser Wilhelm II. im Auto (1904)“.
Fasst man alle eindeutig belegten Fakten zusammen, ergänzt die mit wachem Auge gefilterten Informationen der öffentlichen Berichterstattungen und berücksichtigt die Tatsache des guten Einvernehmens des Hauses Hohenzollern mit der Familie Hertzog, deren politische Gesinnung, sowie die Kenntnis der zeitgenössischen höfischen und gesellschaftlichen Umgangsformen und Gepflogenheiten, so wird die folgende Darstellung den tatsächlichen Begebenheiten wohl am nächsten kommen:
Bereits der im Jahr 1894 verstorbene Begründer des späteren Handelsimperiums Rudolph Carl Hertzog sen. pflegte beste Kontakte zum Haus Hohenzollern und hatte regelmäßigen Umgang mit Wilhelm I., dem Preußischen König und späteren 1. Deutschen Kaiser. Sein Sohn Rudolph L. Hertzog erbte neben dem Familienunternehmen auch die gesellschaftlichen Verbindungen. Die Hertzogs waren solvente Unternehmer mit hohem gesellschaftlichem Rang und zudem kaisertreue Monarchisten. Der technikbegeisterte Rudolph L. Hertzog jun., der Sohn des Gründers, erwarb das erste Automobil in Berlin und erhielt somit das erste ausgegebene Kennzeichen „IA-1“. Nach längerer, öffentlich bekundeter Ablehnung interessierte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch Kaiser Wilhelm II vermehrt für Automobile und erwarb in kurzer Zeit die verschiedensten Modelle. Nur aus Prestigegründen begehrte er offenbar das Berliner Kennzeichen mit der „1“ für seine derzeitige hoheitliche Lieblings-Karosse. Ein Adjutant des Kaisers trat deshalb mit der höflichen Bitte um Überlassung diskret an Rudolph L. Hertzog heran. Dieser entgegnete, sich nicht in der Position zu befinden, einen amtlichen Vorgang im Nachhinein beeinflussen zu können, antwortete aber in der Sache diplomatisch und höflich in der Art, dass er sich beugen würde, wenn dies der persönliche und ausdrückliche Wunsch Seiner Majestät sei. Diesen Wunsch hätte aber Seine Majestät widerum niemals offiziell geäußert. Daraufhin ist diese Angelegenheit nie mehr zwischen den beteiligten Parteien angesprochen worden, obwohl es nachweislich viele Gelegenheiten bei persönlichen Begegnungen gegeben hätte. Die spätere Anfrage des Adjutanten beim Polizeipräsidenten Berlins nach alternativen Möglichkeiten führte wohl zu der Feststellung desselben, dass seine Majestät gar kein Kennzeichen benötige. Damit war die Angelegenheit erledigt. Eine juristische Klage wegen eines Automobilkennzeichens wäre ein Fauxpas gewesen, der einen in der Öffentlichkeit behandelten, gesellschaftlichen Skandal nach sich gezogen hätte, den niemand ohne Not riskiert hätte. Davon abgesehen war das Benehmen aller Beteiligten durch gegenseitigem Respekt und Achtung geprägt, was für sich genommen schon eine juristische Auseinandersetzung wegen einer solchen Banalität unmöglich gemacht hätte.
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Geschichte der Zulassungen und Kennzeichen
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- Epoche 1880-1933 – Kaiserzeit und Weimarer Republik
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- Historische Einblicke – Das erste deutsche Kennzeichen
Einleitung und Erläuterungen
Kraftfahrzeug-Zulassung und Kraftfahrzeug-Kennzeichen sind untrennbar miteinander verbunden und bedingen einander. Ein Kennzeichen, oder umgangssprachlich „Nummernschild“, ist der deutlich sichtbar am Fahrzeug angebrachte, physische Nachweis über den abgeschlossenen, hoheitlichen Verwaltungsvorgang der Zulassung des betreffenden Fahrzeugs für den öffentlichen Straßenverkehr. Genau aus diesem Grund ist ein Kennzeichen immer noch gesiegelt, wie überhaupt der gesamte Vorgang seit rund 150 Jahren im Prinzip unverändert fortgeführt wird.
Aber, nur im Prinzip, denn im Detail hat sich unzählige Male vieles verändert. Viel mehr im Laufe der Zeit, als man erwarten könnte oder sollte. Regierungen kommen und gehen, ebenso Verwaltungen und deren administrative Systeme, Grenzen werden verschoben, Menschen und Dinge verändern und entwickeln sich permanent weiter. Unser aktuelles verwaltungstechnisches System zur Zulassung von Fahrzeugen und zur Vergabe von Kennzeichen basiert im Wesentlichen auf dem bereits 1956 eingeführten. Aber wie ist es dazu gekommen und was ist bis heute daraus geworden?
In dieser historischen Betrachtung befassen wir uns mit der Geschichte der Kraftfahrzeug-Zulassung und Kraftfahrzeug-Kennzeichen von den Anfängen in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Dazu haben wir die markanten Epochen thematisch jeweils in Blöcken zusammengefasst, die jeweils auch eine zeitgeschichtliche Karte enthalten. Diese ist jedoch in sehr morderner Form digital ausgeführt. Außerdem bieten wir in verschiedenen Abhandlungen und Anekdoten Einblicke in historische Hintergründe und Ereignisse, die schon immer von Interesse waren, aber nie vollständig im historischen Kontext geklärt wurden.
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So kann man beispielsweise feststellen, dass es beim Vergleich der Grenzverläufe der alten Bundesländer in verschiedenen Epochen Überschneidungen und Abweichungen geben kann, die man vermeintlich als Fehler oder unsaubere Digitalisierung halten könnte. Bei genauerem Betrachten jedoch kann man entdecken, dass es sich beispielsweise um den Fall der Gemeinde Amt Neuhaus und Teile der Stadt Bleckede handelt, die eigentlich zum Landkreis Lüneburg in Niedersachsen gehören. Beim Vorstoß der Roten Armee bis an die Elbe bei Lauenburg 1945 wurde jedoch auch der Grenzverlauf der Sowjetischen Besazungszone auf den Verlauf der Elbe verschoben. Die beiden Gemeinden gehörten deshalb seitdem zum Bezirk Schwerin der DDR und konnten erst 1993 per Rückgliederung mit ihrem Landkreis Lüneburg wiedervereinigt werden.
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Wiedervereinigung bis Gegenwart
Der wirtschaftliche Zusammenbruch der Sowjetunion und in der Folge auch der Deutschen Demokratischen Republik und die friedliche Revolution der Menschen in der DDR führten in den Jahren 1989 und 1990 zur Wiedervereinigung Deutschlands. Mit dem am 12.09.1990 in Moskau geschlossene „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ zwischen den beiden deutschen Staaten einerseits und den vier ehemaligen alliierten Siegermächten andererseits endete die Existenz des geteilten Deutschlands. Der Vertrag gilt als die endgültige Friedensregelung nach dem Zweiten Weltkrieg und als endgültige Beendigung aller Rechte und Verantwortlichkeiten der vier Siegermächte.
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Mit dem offiziellen „Beitritt“ der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 endeten alle Verwaltungsstrukturen der DDR und es wurden die der BRD übernommen. Aus den 15 Bezirken der ehemaligen DDR wurden die fünf neuen Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen gebildet, deren Grenzen sich weitgehend an den historischen Vorbildern orientieren.
In rund 200 Kreisen und kreisfreien Städten in den fünf neuen Bundesländern mussten neue Unterscheidungszeichen nach dem seit 1956 existierenden Kfz-Kennzeichen-System eingeführt werden. Dazu waren unter anderem drei gravierende Kreisgebietsreformen bis 2011 erforderlich. Das bisherige Kennzeichen-System der DDR erlosch vollständig.
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Zwei Deutsche Staaten
In der Zeit der Besatzung, noch bevor definiert worden war, wie die künftige politische Ordnung Deutschlands endgültig aussehen sollte, musste zwingend die öffentliche Ordnung in deutscher Selbstverwaltung wieder etabliert werden. In allen vier Besatzungszonen kam es ab 1946 deshalb zur Wiederherstellung bereits bestehender und zur Gründung völlig neuer Länder. Teilweise wurde bewährtes wieder belebt, teilweise kam es dabei aber auch zu gänzlich willkürlichen Grenzfestlegungen, die sich an den zufälligen Grenzen der Besatzungszonen orientierten, die widerum auf die Eroberungslinien der Alliierten zurückgingen.
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Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland in den Besatzungszonen der drei West-Alliierten waren auch 13 neue Bundesländer entstanden. Aus den ursprünglichen Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern entstanden jedoch 1952 durch Zusammenschluss per Volksentscheid das Bundesland „Baden-Württemberg“. Damit gab es 11 Bundesländer in Westdeutschland. Gleichzeitig wurden mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik in der sowjetischen Besatzungszone 15 Bezirke gebildet, die zu den Bundesländern in der BRD adäquate Verwaltungseinheiten darstellten. Hier wurde bereits 1953 eine Weiterentwicklung des Systems der preußischen Kennzeichnung etabliert. In der BRD wurde 1956 das bis heute gebräuchliche Kennzeichensystem eingeführt.
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Besatzungszeit und Besatzungszonen
Mit der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 endete der zweite Weltkrieg, die Existenz des nationalsozialistischen Deutschen Reichs und damit auch aller bisherigen Regierungs- und Verwaltungsstrukturen. Die vier Siegermächte übernahmen die oberste Regierungsgewalt und teilten Deutschland im „Potsdamer Abkommen“ in vier Besatzungszonen und Berlin in vier Sektoren auf. Jede Siegermacht bestimmte in ihrer Zone bzw. ihrem Sektor die wirtschaftliche und politische Entwicklung nach ihrem Ermessen.
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Um die beiden Ziele der Entnazifizierung und der Schaffung eines demokratischen neuen Deutschlands zu verfolgen, wurden von den Alliierten alle bis dahin existierenden Strukturen von Regierung, Verwaltung und Administration zerschlagen. Für Zulassungsvorgänge und die Fahrzeug-Kennzeichnung wurden übergangsweise in mehreren Schritten vereinfachte Systeme eingeführt, bei der die Unterscheidungszeichen einen regionalen Bezug hatten und sich außerdem durch die Farbgebung auf die jeweilige Besatzungszone bezogen.
Die Epoche der Besatzung dauerte an bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23.05.1949 und der Deutschen Demokratischen Republik am 07.10.1949. Das Besatzungsstatut der BRD wurde endgültig 1952 mit dem „Deutschlandvertrag“ aufgehoben. Im Zusammenhang mit Zulassungsvorgängen und Nummernschildern wirkte die Besatzung jedoch noch bis zur Einführung des aktuellen Kennzeichensystems 1956 nach.
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NS-Diktatur und II. Weltkrieg
Nach der Machtübernahme 1933 begann die NSDAP damit, die historisch gewachsenen Verwaltungsstrukturen der Kaiserzeit und der Weimarer Republik in ihrem Sinne neu zu organisieren. In Folge dessen wurden unzählige kleinere und größere Neuregelungen und Gleichschaltungen, aber auch Vereinheitlichungen in amtlichen Vorgängen vorgenommen, die auch die Verfahren der Zulassungen und Vergabe von Kennzeichen betrafen. Grundsätzlich wurde jedoch das bereits seit 1906 existierende, nicht sonderlich einheitliche System der polizeilichen Kennzeichen beibehalten und weiter ausgebaut.
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Sogenannte “Gaue” traten an die Stelle der überwiegend aus Freistaaten und Freien Städten bestehenden, ehemaligen 18 Länder der Weimarer Republik, die zunächst aber überwiegend geografisch deckungsgleich waren. Bis 1938 ergaben sich einige mehr oder weniger zivile, mit Eintritt des Krieges dann nur noch militärische, territoriale Neugliederungen. Es folgten komplexe Klassifizierungs-Systeme für die verschiedenen Waffengattungen von Reichswehr und Wehrmacht, für eroberter Gebiete, militärischen Befehlshaber, Zivilverwaltungen und Sicherheitsorgane. Hinzu kamen allgemeine Verordnung über die Zuweisung von Nummernblöcken und ganzen Kennzeichenserien. Neben den offiziellen Kennzeichen gab es auch noch eine Vielzahl von halboffiziellen oder auch selbstgewählten Nummerierungen. Bis heute tauchen deshalb immer mal wieder Nummernschilder auf, die keinem System folgen und Sammler in Erstaunen versetzen.
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Kaiserzeit und Weimarer Republik
Schon bald, nachdem seit 1885 die ersten praxistauglichen Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren existierten, wurde es zwingend erforderlich, die Fahrer der neuen Gefährte identifizieren zu können. Mit der Zunahme von Fahrrädern und Automobilen im Straßenverhkehr im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts nahm auch die Anzahl von Unfällen und Fahrerfluchten erheblich zu. Es wurden juristische und verwaltungstechnische Maßnahmen erforderlich, die den Betrieb der neuen Fahrzeugarten reglementierten.
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In Paris wurde die polizeiliche Erlaubnis zum Betrieb eines Motorfahrzeugs und ein personalisiertes Nummernschild bereits 1893 vorgeschrieben. In den Ländern, Provinzen, Kreisen und Städten des Deutschen Reichs erfolgten Zulassungen, Registrierungen und Beschilderungen zunächst invividuell und uneinheitlich. Im Großherzogtum Baden wurden ab 1896 Zulassungen und amtliche Kennzeichen für Automobile ausgegeben. In Hessen sind seit 1898 Kennzeichen bekannt, die auf den jeweiligen Zulassungsbezirk bezogen waren und seit 1899 ist die Anbringung einer „Nummerplatte“ vorgeschrieben. Seit dem 03.05.1906 regelte ein Reichsgesetz die „Grundzüge betr. den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“. Damit galt für alle 26 Länder des Deutschen Reichs erstmals ein einheitliches System zur Vergabe polizeilicher Kennzeichen und auch das Rechtsfahrgebot. Seit 1928 ist auch die äußere Form des Nummernschilds verbindlich geregelt: Weiß mit schwarzem Rand und schwarzer Schrift. Siehe auch: Deutsche Kennzeichen 1906-1945
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Historische Einblicke – Die erste Fahrerlaubnis
Auf seinen ausdrücklichen Antrag hin erteilte am 1. August 1888 unter dem Aktenvorgang „No 5: 222“ das Großherzoglich Badische Bezirksamt in Mannheim die erste, historisch belegte Fahrerlaubnis an Herrn Carl Benz. Entgegen vieler anderslautender Darstellungen handelt es sich bei dieser ersten Fahrerlaubnis nicht um einen Führerschein. Der „Herr Benz“ wird in diesem Dokument namentlich lediglich als juristischer Vetreter seiner „Rheinischen Gasmotoren-Fabrik“ genannt. An eine personenbezogene Erlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs – denn nur das wäre dann ein Führerschein gewesen – war zu diesem historischen Zeitpunkt noch gar nicht zu denken. Es dauerte noch rund 20 Jahre (Reichsgesetz vom 3. Mai 1909) bis die Regierungen und Verwaltungen in Deutschland eine erste einheitliche und rechtsverbindliche Regelung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen schufen und damit auch den für das gesamte Deutsche Reich gültigen Führerschein. Der Führerschein ersetzte landesweit die bereits vorher in vielfachen Variationen regional ausgestellten „Lenker-Ausweise“, „Motorwagen-Erlaubnis-Scheine“ oder „Chauffeur-Bestätigungen“ und die bereits 1903 in Preußen eingeführte Fahrprüfung mit anschließender Fahrerlaubnis.
Die 1888 erteilte Erlaubnis bezog sich vielmehr eindeutig darauf, den von der Rheinischen Gasmotoren-Fabrik hergestellten Patent-Motorwagen auf „den Straßen und Wegen der Gemarkung Mannheim“ und den angrenzenden Regionen zu versuchsweisen Fahrten nutzen zu dürfen. Es handelt sich aus verwaltungstechnischer und juristischer Sicht also eindeutig um die erste – wenn auch provisorische – Zulassung eines Kraftfahrzeugs durch eine Verwaltungsbehörde. Ein Kennzeichen allerdings gab es noch nicht.
Historische Einblicke – Die erste Fernfahrt und der erste Tankstopp
Die wohl berühmteste und erste historisch belegte Fernfahrt mit einem Automobil unternahm noch im August 1888 – mit der frisch ausgestellten ersten Zulassung – denn auch nicht Carl Benz persönlich, sondern seine Ehefrau Bertha Benz gemeinsam mit ihren beiden Söhnen Eugen und Richard. Mit dem „Benz Patent-Motorwagen Nummer 3“ absolvierte sie die etwa 104 Km lange Strecke von Mannheim in ihre Geburtsstadt Pforzheim und fuhr drei Tage später über eine andere Route wieder zurück. Auch der erste historisch belegte Tankstopp fand im Rahmen dieser Fahrt statt. Und zwar bei der an der Wegstrecke gelegenen Wieslocher Stadt-Apotheke, die das Fahrzeug mit dem dort in ausreichender Menge verfügbaren Wasch- oder Wundbenzin (Ligroin, Leichtbenzin) als Kraftstoff versorgte. Die Fahrt, die sie ohne das Wissen ihres Mannes angetreten haben soll, trug wesentlich dazu bei, die noch bestehenden Vorbehalte potentieller Kunden gegen das neu entwickelte Fahrzeug zu zerstreuen, und ermöglichte in der Folge den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Die Fahrstrecke ist heute als „Bertha Benz Memorial Route“ ausgewiesen und mit diversen Hinweistafeln und Plaketten gekennzeichnet. Alljährlich im Sommer wird diese Route gerne für Oldtimer-Ausfahrten verschiedener Vereine genutzt und vor der noch existierenden Wieslocher Stadt-Apotheke wird Bertha Benz mit einem Denkmal geehrt.
Historische Einblicke – Das erste deutsche Kennzeichen
Um das erste deutsche KFZ-Kennzeichen ranken sich unzählige Geschichten und Annkdoten. Gerne wurden solche Erzählungen im Laufe der Zeit immer weiter ausgeschmückt. Es bildeten sich Legenden, die oft nur zu gern ungeprüft übernommen und weiter verbreitet wurden.
Die ersten Kennzeichen an Fahrzeugen wurden zwingend erforderlich, weil die Fahrerflucht nach Unfällen schon sehr früh ein ernstzunehmender Tatbestand wurde und es keine Möglichkeit gab, die flüchtenden Unfallverursacher zu identifizieren. Aus diesem Grund begannen historisch belegt bereits zwischen 1870 und 1890 einige regionale Behörden in Deutschland Nummernschilder für Fahrräder vorzuschreiben. In Paris wurde wegen dieser Problematik die polizeiliche Erlaubnis zum Betrieb eines Motorfahrzeugs in Kombination mit einem personalisierten Nummernschild bereits 1893 zwingend vorgeschrieben. Regelmäßig wurden im Großherzogtum Baden ab dem Jahr 1896 Zulassungen und amtliche Kennzeichen für Automobile ausgegeben, was hinreichend durch entsprechende Verwaltungsdokumente belegt ist. Verwaltungstechnische Routinen in Hessen mit Kennzeichen, die erstmals auf den jeweiligen Zulassungsbezirk bezogene Kürzel in Form von Buchstaben aufwiesen, sind ab 1898 belegt. Bis zum Reichsgesetz über die „Grundzüge betr. den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“ am 03.05.1906, welches ein einheitliches System zur Vergabe polizeilicher Kennzeichen und auch das Rechtsfahrgebot für alle 26 Länder des Deutschen Reichs erstmals verbindlich regelte, schufen beinahe alle Länder, Kreise und Städte ganz individuelle und gelegentlich auch phantasievolle Lösungen.
Das erste KFZ-Kennzeichen in Deutschland wurde jedoch wahrscheinlich bereits vier Jahre zuvor in Berlin ausgegeben. Die erste polizeiliche Zulassung mit der Kennung „IA-1“ erging an den Inhaber des gleichnamigen Großkaufhauses, Herrn Rudolph L. Hertzog jr., für seinen Daimler-Stahlradwagen („Motor-Quadricycle“, auch „Schroedter-Wagen“) mit Kettenantrieb und Faltverdeck. Von diesem hochexklusiven Fahrzeug wurden bis 1895 gerade einmal zwölf Stück gefertigt und es wird heute gelegentlich nicht zu unrecht als das älteste Repräsentationsautomobil bezeichnet. Die Zulassungsakten der Berliner Behörden aus dieser Zeit existieren leider nicht mehr. Aber das Deutsche Automobil-Adreßbuch und Geschäftsbücher bzw. Vertriebunterlagen der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) sind teilweise erhalten. Außerdem unzählige, nicht systematisch archivierte Dokumente der Rudolph Hertzog-Dynastie und vor allem zeitgenössische Photographien und Presseartikel.
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Der exakte Zeitpunkt ist nicht zweifelsfrei belegt, da für den Verwaltungsvorgang der ersten Zulassung durch Rudolph Hertzog selbst heute leider keine Belege mehr existieren. Es ist aber davon auszugehen, dass die Ausgabe des Kennzeichens zwischen 1892 und 1898 erfolgte. Das bei Greiner & Pfeiffer in Stuttgart im Dezember 1909 aufgelegte Deutsche Automobil-Adreßbuch gilt als zuverlässige Quelle, denn es basiert vollständig auf amtlichen Angaben. So können alle Automobilbesitzer des Deutschen Reichs zwischen 1886 und dem Zeitpunkt des Erscheinens mit ihren zugewiesenen Kennzeichen eindeutig identifiziert werden. Leider enthält diese in Listenform geführte und nach Zulassungsbezirken sortierte Quelle nicht die konkreten Zeitpunkte der jeweiligen Fahrzeug-Zulassungen. Aber diese Quelle liefert eine zuverlässige und eindeutige chronologische Abfolge der erfassten Zulassungen. Wundern darf man sich allerdings, dass die preußische Gründlichkeit offenbar nicht dazu ausreichte, die Namen unzähliger bedeutender Persönlichkeiten der Gesellschaft korrekt zu erfassen.
Aus den unmittelbaren Daten des Adressbuchs in Kombination mit anderen verlässlichen Quellen kann für die Zulassung „IA-1“ kein exaktes Datum ermittelt werden. Aber einige unmittelbar begleitende und zweifelsfrei nachweisbare Daten über andere Personen lassen ebenfalls eindeutige, chronologische Rückschlüsse und konkrete Zeitbestimmungen zu. So gelang es, für die Zulassung zwischen „IA-21“ und Zulassung „IA-54“ durch den Abgleich mit anderen Daten teilweise exakte Zulassungstermine zu ermitteln. Und mittels dieser Daten ist eine chronologische Einordnung für das Kennzeichen „IA-1“ auf einen Zeitpunkt vor Dezember 1898 verlässlich möglich.
Das ebenfalls „berühmte“ Kennzeichen mit der schwarzen 1 auf gelbem Grund wurde am 14.04.1899 von der Stadt München an die Familie Beissbarth ausgegeben und befindet sich heute im Deutschen Museum in München. Es ist definitiv das älteste Nummernschild Bayerns, aber nicht das erste Deutschlands.
Die zugrundeliegende Motivation und die sachliche Notwendigkeit, den Fahrer eines Kraftfahrzeugs identifizieren zu können, führte offenbar dazu, dass die in Berlin in dieser frühen Zeit ausgegebenen Kennzeichen einer natürlichen oder juristischen Person, und nicht einem konkreten Fahrzeug zugeordnet wurden. Deshalb verblieben die einmal auf den Namen „Rudolph Hertzog“ registrierten Zulassungsnummern und die dazugehörigen Kennzeichen im Besitz der Familie bzw. des Handelsunternehmens. Soweit nachvollziehbar, müssen unter dem Kennzeichen „IA-1“ zwischen 1992 und 1909 drei verschiedene Fahrzeuge am Straßenverkehr teilgenommen haben.
Die immer mal wieder in unzähligen verschiedenen Versionen und Varianten zitierte Anekdote, dass Kaiser Wilhelm II gegen die oben beschriebenen Zulassungen geklagt habe und auf der Herausgabe des Kennzeichens „IA-1“ bestehe, muss dagegen wohl in die Welt der Fabeln verwiesen werden. Wilhelm II hatte zunächst jahrelang gegen die stinkenden, knatternden und mit unmöglichen Tröten ausgestatteten Automobile gewettert, die regelmäßig die Pferde seiner Offiziere auf den Straßen und an seinen Exerzierplätzen erschreckten. Sein öffentlicher Ausspruch „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung.“ ist mehrfach belegt. Erst nachdem sich das Automobil etabliert und die Automobiltechnik eine rasante Entwicklung erfahren hatte, begann sich der Kaiser nach der Jahrhundertwende schon deshalb für die Knatterkisten zu interessieren, weil jeder, der Rang und Namen hatte, mittlerweile mindestens eines besaß. Berlin gehörte zu dieser Zeit zu den wichtigsten Schauplätzen der Automobilität. Diverse Einladungen hochgestellter Persönlichkeiten zu gemeinsamen Ausfahrten weckten dann doch das Interesse des Kaiser am Automobil und er soll später – wenn man der zeitgenössischen, einschlägigen Tagespresse Glauben schenken darf – zu einem der ersten berühmten Automobil-Enthusiasten geworden sein. Allerdings blieben seine Vorbehalte gegenüber Verbrennungsmotoren teilweise bestehen. Bereits 1907 umfasste sein Fuhrpark auch mindestens zwei strombetriebene Fahrzeuge. Interessant ist in diesem Zusammnenhang und auch im Hinblick auf die Gegenwart die Tatsache, dass im Jahr 1905 in der Hauptstadt des Deutschen Kaiserreichs mehr E-Autos als Benziner verkauft und zugelassen wurden.
Für eine offizielle, juristische Klage hingegen konnte niemals ein Beweis oder Anhaltspunkt, ja nicht einmal die geringste Spur gefunden werden. Insbesondere die oft zitierte, angebliche Beschwerde des Kaisers, dass er mit dem Kennzeichen „IA-2“ nicht zufrieden gestellt werden könne, kann schon aus sachlichen Gründen zwangsläufig nur falsch sein. Denn dieses Kennzeichen wurde nachweislich ebenfalls bereits 1992 von Rudolph Hertzog registriert. Ebenso wie das Kennzeichen „IA-5“ und weitere 22 Kennzeichen bis zum Jahr 1909. Zum Zeitpunkt der angeblichen Klage des Kaiser war die Liste der in Berlin registrierten Fahrzeuge bereits auf über 4.300 angewachsen. Ebenfalls nur mit Presseberichten belegt ist die Begebenheit, die wohl den Kern der ganzen Legende bildete, dass sich in der Angelegenheit jemand aus dem Umfeld des Kaisers an den Polizeipräsidenten Berlins gewandt haben soll. Dieser soll entschieden haben, dass seine Majestät über dem gewöhnlichen Straßenverkehr stehe und deshalb weder eine Zulassung, Registrierung oder ein Kennzeichen benötige. Tatsächlich taucht seine kaiserliche Majestät oder einer seiner verwaltungstechnischen, stellvertretenden Beamten jedenfalls in keiner Inhaberliste eines Kraftfahrzeugs auf. Ein interessantes und seltenes Zeitdokument dazu ist: „Kaiser Wilhelm II. im Auto (1904)“.
Fasst man alle eindeutig belegten Fakten zusammen, ergänzt die mit wachem Auge gefilterten Informationen der öffentlichen Berichterstattungen und berücksichtigt die Tatsache des guten Einvernehmens des Hauses Hohenzollern mit der Familie Hertzog, deren politische Gesinnung, sowie die Kenntnis der zeitgenössischen höfischen und gesellschaftlichen Umgangsformen und Gepflogenheiten, so wird die folgende Darstellung den tatsächlichen Begebenheiten wohl am nächsten kommen:
Bereits der im Jahr 1894 verstorbene Begründer des späteren Handelsimperiums Rudolph Carl Hertzog sen. pflegte beste Kontakte zum Haus Hohenzollern und hatte regelmäßigen Umgang mit Wilhelm I., dem Preußischen König und späteren 1. Deutschen Kaiser. Sein Sohn Rudolph L. Hertzog erbte neben dem Familienunternehmen auch die gesellschaftlichen Verbindungen. Die Hertzogs waren solvente Unternehmer mit hohem gesellschaftlichem Rang und zudem kaisertreue Monarchisten. Der technikbegeisterte Rudolph L. Hertzog jun., der Sohn des Gründers, erwarb das erste Automobil in Berlin und erhielt somit das erste ausgegebene Kennzeichen „IA-1“. Nach längerer, öffentlich bekundeter Ablehnung interessierte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch Kaiser Wilhelm II vermehrt für Automobile und erwarb in kurzer Zeit die verschiedensten Modelle. Nur aus Prestigegründen begehrte er offenbar das Berliner Kennzeichen mit der „1“ für seine derzeitige hoheitliche Lieblings-Karosse. Ein Adjutant des Kaisers trat deshalb mit der höflichen Bitte um Überlassung diskret an Rudolph L. Hertzog heran. Dieser entgegnete, sich nicht in der Position zu befinden, einen amtlichen Vorgang im Nachhinein beeinflussen zu können, antwortete aber in der Sache diplomatisch und höflich in der Art, dass er sich beugen würde, wenn dies der persönliche und ausdrückliche Wunsch Seiner Majestät sei. Diesen Wunsch hätte aber Seine Majestät widerum niemals offiziell geäußert. Daraufhin ist diese Angelegenheit nie mehr zwischen den beteiligten Parteien angesprochen worden, obwohl es nachweislich viele Gelegenheiten bei persönlichen Begegnungen gegeben hätte. Die spätere Anfrage des Adjutanten beim Polizeipräsidenten Berlins nach alternativen Möglichkeiten führte wohl zu der Feststellung desselben, dass seine Majestät gar kein Kennzeichen benötige. Damit war die Angelegenheit erledigt. Eine juristische Klage wegen eines Automobilkennzeichens wäre ein Fauxpas gewesen, der einen in der Öffentlichkeit behandelten, gesellschaftlichen Skandal nach sich gezogen hätte, den niemand ohne Not riskiert hätte. Davon abgesehen war das Benehmen aller Beteiligten durch gegenseitigem Respekt und Achtung geprägt, was für sich genommen schon eine juristische Auseinandersetzung wegen einer solchen Banalität unmöglich gemacht hätte.
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Geschichte der Zulassungen und Kennzeichen
Inhalt
- Einleitung und Erläuterungen
- Epoche 1990-heute – Wiedervereinigung bis Gegenwart
- Epoche 1956-1990 – Zwei Deutsche Staaten
- Epoche 1945-1956 – Besatzungszeit und Besatzungszonen
- Epoche 1933-1945 – NS-Diktatur und II. Weltkrieg
- Epoche 1880-1933 – Kaiserzeit und Weimarer Republik
- Historische Einblicke – Die erste Fahrerlaubnis
- Historische Einblicke – Die erste Fernfahrt und der erste Tankstopp
- Historische Einblicke – Das erste deutsche Kennzeichen
Einleitung und Erläuterungen
Kraftfahrzeug-Zulassung und Kraftfahrzeug-Kennzeichen sind untrennbar miteinander verbunden und bedingen einander. Ein Kennzeichen, oder umgangssprachlich „Nummernschild“, ist der deutlich sichtbar am Fahrzeug angebrachte, physische Nachweis über den abgeschlossenen, hoheitlichen Verwaltungsvorgang der Zulassung des betreffenden Fahrzeugs für den öffentlichen Straßenverkehr. Genau aus diesem Grund ist ein Kennzeichen immer noch gesiegelt, wie überhaupt der gesamte Vorgang seit rund 150 Jahren im Prinzip unverändert fortgeführt wird.
Aber, nur im Prinzip, denn im Detail hat sich unzählige Male vieles verändert. Viel mehr im Laufe der Zeit, als man erwarten könnte oder sollte. Regierungen kommen und gehen, ebenso Verwaltungen und deren administrative Systeme, Grenzen werden verschoben, Menschen und Dinge verändern und entwickeln sich permanent weiter. Unser aktuelles verwaltungstechnisches System zur Zulassung von Fahrzeugen und zur Vergabe von Kennzeichen basiert im Wesentlichen auf dem bereits 1956 eingeführten. Aber wie ist es dazu gekommen und was ist bis heute daraus geworden?
In dieser historischen Betrachtung befassen wir uns mit der Geschichte der Kraftfahrzeug-Zulassung und Kraftfahrzeug-Kennzeichen von den Anfängen in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. Dazu haben wir die markanten Epochen thematisch jeweils in Blöcken zusammengefasst, die jeweils auch eine zeitgeschichtliche Karte enthalten. Diese ist jedoch in sehr morderner Form digital ausgeführt. Außerdem bieten wir in verschiedenen Abhandlungen und Anekdoten Einblicke in historische Hintergründe und Ereignisse, die schon immer von Interesse waren, aber nie vollständig im historischen Kontext geklärt wurden.
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Die auf dieser Seite dargestellten geschichtlichen Grundlagen und Erläuterungen zu den verschiedenen digitalen Karten können auch dazu dienen, die historischen Gegebenheiten mit den aktuellen in ein beliebiges Verhältnis zu setzen. Denn diese Karten sind als separate Ebenen auch in der digitalen Karte der „Geografischen Übersicht aller aktuellen deutschen KFZ-Kennzeichen“ verfügbar, die beliebig ein- oder ausgeblendet werden können.
So kann man beispielsweise feststellen, dass es beim Vergleich der Grenzverläufe der alten Bundesländer in verschiedenen Epochen Überschneidungen und Abweichungen geben kann, die man vermeintlich als Fehler oder unsaubere Digitalisierung halten könnte. Bei genauerem Betrachten jedoch kann man entdecken, dass es sich beispielsweise um den Fall der Gemeinde Amt Neuhaus und Teile der Stadt Bleckede handelt, die eigentlich zum Landkreis Lüneburg in Niedersachsen gehören. Beim Vorstoß der Roten Armee bis an die Elbe bei Lauenburg 1945 wurde jedoch auch der Grenzverlauf der Sowjetischen Besazungszone auf den Verlauf der Elbe verschoben. Die beiden Gemeinden gehörten deshalb seitdem zum Bezirk Schwerin der DDR und konnten erst 1993 per Rückgliederung mit ihrem Landkreis Lüneburg wiedervereinigt werden.
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1990-heute
Wiedervereinigung bis Gegenwart
Der wirtschaftliche Zusammenbruch der Sowjetunion und in der Folge auch der Deutschen Demokratischen Republik und die friedliche Revolution der Menschen in der DDR führten in den Jahren 1989 und 1990 zur Wiedervereinigung Deutschlands. Mit dem am 12.09.1990 in Moskau geschlossene „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ zwischen den beiden deutschen Staaten einerseits und den vier ehemaligen alliierten Siegermächten andererseits endete die Existenz des geteilten Deutschlands. Der Vertrag gilt als die endgültige Friedensregelung nach dem Zweiten Weltkrieg und als endgültige Beendigung aller Rechte und Verantwortlichkeiten der vier Siegermächte.
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Mit dem offiziellen „Beitritt“ der Deutschen Demokratischen Republik zur Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 endeten alle Verwaltungsstrukturen der DDR und es wurden die der BRD übernommen. Aus den 15 Bezirken der ehemaligen DDR wurden die fünf neuen Bundesländer Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen gebildet, deren Grenzen sich weitgehend an den historischen Vorbildern orientieren.
In rund 200 Kreisen und kreisfreien Städten in den fünf neuen Bundesländern mussten neue Unterscheidungszeichen nach dem seit 1956 existierenden Kfz-Kennzeichen-System eingeführt werden. Dazu waren unter anderem drei gravierende Kreisgebietsreformen bis 2011 erforderlich. Das bisherige Kennzeichen-System der DDR erlosch vollständig.
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1956-1990
Zwei Deutsche Staaten
In der Zeit der Besatzung, noch bevor definiert worden war, wie die künftige politische Ordnung Deutschlands endgültig aussehen sollte, musste zwingend die öffentliche Ordnung in deutscher Selbstverwaltung wieder etabliert werden. In allen vier Besatzungszonen kam es ab 1946 deshalb zur Wiederherstellung bereits bestehender und zur Gründung völlig neuer Länder. Teilweise wurde bewährtes wieder belebt, teilweise kam es dabei aber auch zu gänzlich willkürlichen Grenzfestlegungen, die sich an den zufälligen Grenzen der Besatzungszonen orientierten, die widerum auf die Eroberungslinien der Alliierten zurückgingen.
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Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland in den Besatzungszonen der drei West-Alliierten waren auch 13 neue Bundesländer entstanden. Aus den ursprünglichen Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern entstanden jedoch 1952 durch Zusammenschluss per Volksentscheid das Bundesland „Baden-Württemberg“. Damit gab es 11 Bundesländer in Westdeutschland. Gleichzeitig wurden mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik in der sowjetischen Besatzungszone 15 Bezirke gebildet, die zu den Bundesländern in der BRD adäquate Verwaltungseinheiten darstellten. Hier wurde bereits 1953 eine Weiterentwicklung des Systems der preußischen Kennzeichnung etabliert. In der BRD wurde 1956 das bis heute gebräuchliche Kennzeichensystem eingeführt.
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1945-1956
Besatzungszeit und Besatzungszonen
Mit der Kapitulation Deutschlands am 8. Mai 1945 endete der zweite Weltkrieg, die Existenz des nationalsozialistischen Deutschen Reichs und damit auch aller bisherigen Regierungs- und Verwaltungsstrukturen. Die vier Siegermächte übernahmen die oberste Regierungsgewalt und teilten Deutschland im „Potsdamer Abkommen“ in vier Besatzungszonen und Berlin in vier Sektoren auf. Jede Siegermacht bestimmte in ihrer Zone bzw. ihrem Sektor die wirtschaftliche und politische Entwicklung nach ihrem Ermessen.
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Um die beiden Ziele der Entnazifizierung und der Schaffung eines demokratischen neuen Deutschlands zu verfolgen, wurden von den Alliierten alle bis dahin existierenden Strukturen von Regierung, Verwaltung und Administration zerschlagen. Für Zulassungsvorgänge und die Fahrzeug-Kennzeichnung wurden übergangsweise in mehreren Schritten vereinfachte Systeme eingeführt, bei der die Unterscheidungszeichen einen regionalen Bezug hatten und sich außerdem durch die Farbgebung auf die jeweilige Besatzungszone bezogen.
Die Epoche der Besatzung dauerte an bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland am 23.05.1949 und der Deutschen Demokratischen Republik am 07.10.1949. Das Besatzungsstatut der BRD wurde endgültig 1952 mit dem „Deutschlandvertrag“ aufgehoben. Im Zusammenhang mit Zulassungsvorgängen und Nummernschildern wirkte die Besatzung jedoch noch bis zur Einführung des aktuellen Kennzeichensystems 1956 nach.
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1933-1945
NS-Diktatur und II. Weltkrieg
Nach der Machtübernahme 1933 begann die NSDAP damit, die historisch gewachsenen Verwaltungsstrukturen der Kaiserzeit und der Weimarer Republik in ihrem Sinne neu zu organisieren. In Folge dessen wurden unzählige kleinere und größere Neuregelungen und Gleichschaltungen, aber auch Vereinheitlichungen in amtlichen Vorgängen vorgenommen, die auch die Verfahren der Zulassungen und Vergabe von Kennzeichen betrafen. Grundsätzlich wurde jedoch das bereits seit 1906 existierende, nicht sonderlich einheitliche System der polizeilichen Kennzeichen beibehalten und weiter ausgebaut.
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Sogenannte “Gaue” traten an die Stelle der überwiegend aus Freistaaten und Freien Städten bestehenden, ehemaligen 18 Länder der Weimarer Republik, die zunächst aber überwiegend geografisch deckungsgleich waren. Bis 1938 ergaben sich einige mehr oder weniger zivile, mit Eintritt des Krieges dann nur noch militärische, territoriale Neugliederungen. Es folgten komplexe Klassifizierungs-Systeme für die verschiedenen Waffengattungen von Reichswehr und Wehrmacht, für eroberter Gebiete, militärischen Befehlshaber, Zivilverwaltungen und Sicherheitsorgane. Hinzu kamen allgemeine Verordnung über die Zuweisung von Nummernblöcken und ganzen Kennzeichenserien. Neben den offiziellen Kennzeichen gab es auch noch eine Vielzahl von halboffiziellen oder auch selbstgewählten Nummerierungen. Bis heute tauchen deshalb immer mal wieder Nummernschilder auf, die keinem System folgen und Sammler in Erstaunen versetzen.
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1880-1933
Kaiserzeit und Weimarer Republik
Schon bald, nachdem seit 1885 die ersten praxistauglichen Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren existierten, wurde es zwingend erforderlich, die Fahrer der neuen Gefährte identifizieren zu können. Mit der Zunahme von Fahrrädern und Automobilen im Straßenverhkehr im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts nahm auch die Anzahl von Unfällen und Fahrerfluchten erheblich zu. Es wurden juristische und verwaltungstechnische Maßnahmen erforderlich, die den Betrieb der neuen Fahrzeugarten reglementierten.
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In Paris wurde die polizeiliche Erlaubnis zum Betrieb eines Motorfahrzeugs und ein personalisiertes Nummernschild bereits 1893 vorgeschrieben. In den Ländern, Provinzen, Kreisen und Städten des Deutschen Reichs erfolgten Zulassungen, Registrierungen und Beschilderungen zunächst invividuell und uneinheitlich. Im Großherzogtum Baden wurden ab 1896 Zulassungen und amtliche Kennzeichen für Automobile ausgegeben. In Hessen sind seit 1898 Kennzeichen bekannt, die auf den jeweiligen Zulassungsbezirk bezogen waren und seit 1899 ist die Anbringung einer „Nummerplatte“ vorgeschrieben. Seit dem 03.05.1906 regelte ein Reichsgesetz die „Grundzüge betr. den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“. Damit galt für alle 26 Länder des Deutschen Reichs erstmals ein einheitliches System zur Vergabe polizeilicher Kennzeichen und auch das Rechtsfahrgebot. Seit 1928 ist auch die äußere Form des Nummernschilds verbindlich geregelt: Weiß mit schwarzem Rand und schwarzer Schrift. Siehe auch: Deutsche Kennzeichen 1906-1945
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Historische Einblicke – Die erste Fahrerlaubnis
Auf seinen ausdrücklichen Antrag hin erteilte am 1. August 1888 unter dem Aktenvorgang „No 5: 222“ das Großherzoglich Badische Bezirksamt in Mannheim die erste, historisch belegte Fahrerlaubnis an Herrn Carl Benz. Entgegen vieler anderslautender Darstellungen handelt es sich bei dieser ersten Fahrerlaubnis nicht um einen Führerschein. Der „Herr Benz“ wird in diesem Dokument namentlich lediglich als juristischer Vetreter seiner „Rheinischen Gasmotoren-Fabrik“ genannt. An eine personenbezogene Erlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs – denn nur das wäre dann ein Führerschein gewesen – war zu diesem historischen Zeitpunkt noch gar nicht zu denken. Es dauerte noch rund 20 Jahre (Reichsgesetz vom 3. Mai 1909) bis die Regierungen und Verwaltungen in Deutschland eine erste einheitliche und rechtsverbindliche Regelung über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen schufen und damit auch den für das gesamte Deutsche Reich gültigen Führerschein. Der Führerschein ersetzte landesweit die bereits vorher in vielfachen Variationen regional ausgestellten „Lenker-Ausweise“, „Motorwagen-Erlaubnis-Scheine“ oder „Chauffeur-Bestätigungen“ und die bereits 1903 in Preußen eingeführte Fahrprüfung mit anschließender Fahrerlaubnis.
Die 1888 erteilte Erlaubnis bezog sich vielmehr eindeutig darauf, den von der Rheinischen Gasmotoren-Fabrik hergestellten Patent-Motorwagen auf „den Straßen und Wegen der Gemarkung Mannheim“ und den angrenzenden Regionen zu versuchsweisen Fahrten nutzen zu dürfen. Es handelt sich aus verwaltungstechnischer und juristischer Sicht also eindeutig um die erste – wenn auch provisorische – Zulassung eines Kraftfahrzeugs durch eine Verwaltungsbehörde. Ein Kennzeichen allerdings gab es noch nicht.
Historische Einblicke – Die erste Fernfahrt und der erste Tankstopp
Die wohl berühmteste und erste historisch belegte Fernfahrt mit einem Automobil unternahm noch im August 1888 – mit der frisch ausgestellten ersten Zulassung – denn auch nicht Carl Benz persönlich, sondern seine Ehefrau Bertha Benz gemeinsam mit ihren beiden Söhnen Eugen und Richard. Mit dem „Benz Patent-Motorwagen Nummer 3“ absolvierte sie die etwa 104 Km lange Strecke von Mannheim in ihre Geburtsstadt Pforzheim und fuhr drei Tage später über eine andere Route wieder zurück. Auch der erste historisch belegte Tankstopp fand im Rahmen dieser Fahrt statt. Und zwar bei der an der Wegstrecke gelegenen Wieslocher Stadt-Apotheke, die das Fahrzeug mit dem dort in ausreichender Menge verfügbaren Wasch- oder Wundbenzin (Ligroin, Leichtbenzin) als Kraftstoff versorgte. Die Fahrt, die sie ohne das Wissen ihres Mannes angetreten haben soll, trug wesentlich dazu bei, die noch bestehenden Vorbehalte potentieller Kunden gegen das neu entwickelte Fahrzeug zu zerstreuen, und ermöglichte in der Folge den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens. Die Fahrstrecke ist heute als „Bertha Benz Memorial Route“ ausgewiesen und mit diversen Hinweistafeln und Plaketten gekennzeichnet. Alljährlich im Sommer wird diese Route gerne für Oldtimer-Ausfahrten verschiedener Vereine genutzt und vor der noch existierenden Wieslocher Stadt-Apotheke wird Bertha Benz mit einem Denkmal geehrt.
Historische Einblicke – Das erste deutsche Kennzeichen
Um das erste deutsche KFZ-Kennzeichen ranken sich unzählige Geschichten und Annkdoten. Gerne wurden solche Erzählungen im Laufe der Zeit immer weiter ausgeschmückt. Es bildeten sich Legenden, die oft nur zu gern ungeprüft übernommen und weiter verbreitet wurden.
Die ersten Kennzeichen an Fahrzeugen wurden zwingend erforderlich, weil die Fahrerflucht nach Unfällen schon sehr früh ein ernstzunehmender Tatbestand wurde und es keine Möglichkeit gab, die flüchtenden Unfallverursacher zu identifizieren. Aus diesem Grund begannen historisch belegt bereits zwischen 1870 und 1890 einige regionale Behörden in Deutschland Nummernschilder für Fahrräder vorzuschreiben. In Paris wurde wegen dieser Problematik die polizeiliche Erlaubnis zum Betrieb eines Motorfahrzeugs in Kombination mit einem personalisierten Nummernschild bereits 1893 zwingend vorgeschrieben. Regelmäßig wurden im Großherzogtum Baden ab dem Jahr 1896 Zulassungen und amtliche Kennzeichen für Automobile ausgegeben, was hinreichend durch entsprechende Verwaltungsdokumente belegt ist. Verwaltungstechnische Routinen in Hessen mit Kennzeichen, die erstmals auf den jeweiligen Zulassungsbezirk bezogene Kürzel in Form von Buchstaben aufwiesen, sind ab 1898 belegt. Bis zum Reichsgesetz über die „Grundzüge betr. den Verkehr mit Kraftfahrzeugen“ am 03.05.1906, welches ein einheitliches System zur Vergabe polizeilicher Kennzeichen und auch das Rechtsfahrgebot für alle 26 Länder des Deutschen Reichs erstmals verbindlich regelte, schufen beinahe alle Länder, Kreise und Städte ganz individuelle und gelegentlich auch phantasievolle Lösungen.
Das erste KFZ-Kennzeichen in Deutschland wurde jedoch wahrscheinlich bereits vier Jahre zuvor in Berlin ausgegeben. Die erste polizeiliche Zulassung mit der Kennung „IA-1“ erging an den Inhaber des gleichnamigen Großkaufhauses, Herrn Rudolph L. Hertzog jr., für seinen Daimler-Stahlradwagen („Motor-Quadricycle“, auch „Schroedter-Wagen“) mit Kettenantrieb und Faltverdeck. Von diesem hochexklusiven Fahrzeug wurden bis 1895 gerade einmal zwölf Stück gefertigt und es wird heute gelegentlich nicht zu unrecht als das älteste Repräsentationsautomobil bezeichnet. Die Zulassungsakten der Berliner Behörden aus dieser Zeit existieren leider nicht mehr. Aber das Deutsche Automobil-Adreßbuch und Geschäftsbücher bzw. Vertriebunterlagen der Daimler-Motoren-Gesellschaft (DMG) sind teilweise erhalten. Außerdem unzählige, nicht systematisch archivierte Dokumente der Rudolph Hertzog-Dynastie und vor allem zeitgenössische Photographien und Presseartikel.
..weiterlesen!
Der exakte Zeitpunkt ist nicht zweifelsfrei belegt, da für den Verwaltungsvorgang der ersten Zulassung durch Rudolph Hertzog selbst heute leider keine Belege mehr existieren. Es ist aber davon auszugehen, dass die Ausgabe des Kennzeichens zwischen 1892 und 1898 erfolgte. Das bei Greiner & Pfeiffer in Stuttgart im Dezember 1909 aufgelegte Deutsche Automobil-Adreßbuch gilt als zuverlässige Quelle, denn es basiert vollständig auf amtlichen Angaben. So können alle Automobilbesitzer des Deutschen Reichs zwischen 1886 und dem Zeitpunkt des Erscheinens mit ihren zugewiesenen Kennzeichen eindeutig identifiziert werden. Leider enthält diese in Listenform geführte und nach Zulassungsbezirken sortierte Quelle nicht die konkreten Zeitpunkte der jeweiligen Fahrzeug-Zulassungen. Aber diese Quelle liefert eine zuverlässige und eindeutige chronologische Abfolge der erfassten Zulassungen. Wundern darf man sich allerdings, dass die preußische Gründlichkeit offenbar nicht dazu ausreichte, die Namen unzähliger bedeutender Persönlichkeiten der Gesellschaft korrekt zu erfassen.
Aus den unmittelbaren Daten des Adressbuchs in Kombination mit anderen verlässlichen Quellen kann für die Zulassung „IA-1“ kein exaktes Datum ermittelt werden. Aber einige unmittelbar begleitende und zweifelsfrei nachweisbare Daten über andere Personen lassen ebenfalls eindeutige, chronologische Rückschlüsse und konkrete Zeitbestimmungen zu. So gelang es, für die Zulassung zwischen „IA-21“ und Zulassung „IA-54“ durch den Abgleich mit anderen Daten teilweise exakte Zulassungstermine zu ermitteln. Und mittels dieser Daten ist eine chronologische Einordnung für das Kennzeichen „IA-1“ auf einen Zeitpunkt vor Dezember 1898 verlässlich möglich.
Das ebenfalls „berühmte“ Kennzeichen mit der schwarzen 1 auf gelbem Grund wurde am 14.04.1899 von der Stadt München an die Familie Beissbarth ausgegeben und befindet sich heute im Deutschen Museum in München. Es ist definitiv das älteste Nummernschild Bayerns, aber nicht das erste Deutschlands.
Die zugrundeliegende Motivation und die sachliche Notwendigkeit, den Fahrer eines Kraftfahrzeugs identifizieren zu können, führte offenbar dazu, dass die in Berlin in dieser frühen Zeit ausgegebenen Kennzeichen einer natürlichen oder juristischen Person, und nicht einem konkreten Fahrzeug zugeordnet wurden. Deshalb verblieben die einmal auf den Namen „Rudolph Hertzog“ registrierten Zulassungsnummern und die dazugehörigen Kennzeichen im Besitz der Familie bzw. des Handelsunternehmens. Soweit nachvollziehbar, müssen unter dem Kennzeichen „IA-1“ zwischen 1992 und 1909 drei verschiedene Fahrzeuge am Straßenverkehr teilgenommen haben.
Die immer mal wieder in unzähligen verschiedenen Versionen und Varianten zitierte Anekdote, dass Kaiser Wilhelm II gegen die oben beschriebenen Zulassungen geklagt habe und auf der Herausgabe des Kennzeichens „IA-1“ bestehe, muss dagegen wohl in die Welt der Fabeln verwiesen werden. Wilhelm II hatte zunächst jahrelang gegen die stinkenden, knatternden und mit unmöglichen Tröten ausgestatteten Automobile gewettert, die regelmäßig die Pferde seiner Offiziere auf den Straßen und an seinen Exerzierplätzen erschreckten. Sein öffentlicher Ausspruch „Ich glaube an das Pferd. Das Automobil ist nur eine vorübergehende Erscheinung.“ ist mehrfach belegt. Erst nachdem sich das Automobil etabliert und die Automobiltechnik eine rasante Entwicklung erfahren hatte, begann sich der Kaiser nach der Jahrhundertwende schon deshalb für die Knatterkisten zu interessieren, weil jeder, der Rang und Namen hatte, mittlerweile mindestens eines besaß. Berlin gehörte zu dieser Zeit zu den wichtigsten Schauplätzen der Automobilität. Diverse Einladungen hochgestellter Persönlichkeiten zu gemeinsamen Ausfahrten weckten dann doch das Interesse des Kaiser am Automobil und er soll später – wenn man der zeitgenössischen, einschlägigen Tagespresse Glauben schenken darf – zu einem der ersten berühmten Automobil-Enthusiasten geworden sein. Allerdings blieben seine Vorbehalte gegenüber Verbrennungsmotoren teilweise bestehen. Bereits 1907 umfasste sein Fuhrpark auch mindestens zwei strombetriebene Fahrzeuge. Interessant ist in diesem Zusammnenhang und auch im Hinblick auf die Gegenwart die Tatsache, dass im Jahr 1905 in der Hauptstadt des Deutschen Kaiserreichs mehr E-Autos als Benziner verkauft und zugelassen wurden.
Für eine offizielle, juristische Klage hingegen konnte niemals ein Beweis oder Anhaltspunkt, ja nicht einmal die geringste Spur gefunden werden. Insbesondere die oft zitierte, angebliche Beschwerde des Kaisers, dass er mit dem Kennzeichen „IA-2“ nicht zufrieden gestellt werden könne, kann schon aus sachlichen Gründen zwangsläufig nur falsch sein. Denn dieses Kennzeichen wurde nachweislich ebenfalls bereits 1992 von Rudolph Hertzog registriert. Ebenso wie das Kennzeichen „IA-5“ und weitere 22 Kennzeichen bis zum Jahr 1909. Zum Zeitpunkt der angeblichen Klage des Kaiser war die Liste der in Berlin registrierten Fahrzeuge bereits auf über 4.300 angewachsen. Ebenfalls nur mit Presseberichten belegt ist die Begebenheit, die wohl den Kern der ganzen Legende bildete, dass sich in der Angelegenheit jemand aus dem Umfeld des Kaisers an den Polizeipräsidenten Berlins gewandt haben soll. Dieser soll entschieden haben, dass seine Majestät über dem gewöhnlichen Straßenverkehr stehe und deshalb weder eine Zulassung, Registrierung oder ein Kennzeichen benötige. Tatsächlich taucht seine kaiserliche Majestät oder einer seiner verwaltungstechnischen, stellvertretenden Beamten jedenfalls in keiner Inhaberliste eines Kraftfahrzeugs auf. Ein interessantes und seltenes Zeitdokument dazu ist: „Kaiser Wilhelm II. im Auto (1904)“.
Fasst man alle eindeutig belegten Fakten zusammen, ergänzt die mit wachem Auge gefilterten Informationen der öffentlichen Berichterstattungen und berücksichtigt die Tatsache des guten Einvernehmens des Hauses Hohenzollern mit der Familie Hertzog, deren politische Gesinnung, sowie die Kenntnis der zeitgenössischen höfischen und gesellschaftlichen Umgangsformen und Gepflogenheiten, so wird die folgende Darstellung den tatsächlichen Begebenheiten wohl am nächsten kommen:
Bereits der im Jahr 1894 verstorbene Begründer des späteren Handelsimperiums Rudolph Carl Hertzog sen. pflegte beste Kontakte zum Haus Hohenzollern und hatte regelmäßigen Umgang mit Wilhelm I., dem Preußischen König und späteren 1. Deutschen Kaiser. Sein Sohn Rudolph L. Hertzog erbte neben dem Familienunternehmen auch die gesellschaftlichen Verbindungen. Die Hertzogs waren solvente Unternehmer mit hohem gesellschaftlichem Rang und zudem kaisertreue Monarchisten. Der technikbegeisterte Rudolph L. Hertzog jun., der Sohn des Gründers, erwarb das erste Automobil in Berlin und erhielt somit das erste ausgegebene Kennzeichen „IA-1“. Nach längerer, öffentlich bekundeter Ablehnung interessierte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch Kaiser Wilhelm II vermehrt für Automobile und erwarb in kurzer Zeit die verschiedensten Modelle. Nur aus Prestigegründen begehrte er offenbar das Berliner Kennzeichen mit der „1“ für seine derzeitige hoheitliche Lieblings-Karosse. Ein Adjutant des Kaisers trat deshalb mit der höflichen Bitte um Überlassung diskret an Rudolph L. Hertzog heran. Dieser entgegnete, sich nicht in der Position zu befinden, einen amtlichen Vorgang im Nachhinein beeinflussen zu können, antwortete aber in der Sache diplomatisch und höflich in der Art, dass er sich beugen würde, wenn dies der persönliche und ausdrückliche Wunsch Seiner Majestät sei. Diesen Wunsch hätte aber Seine Majestät widerum niemals offiziell geäußert. Daraufhin ist diese Angelegenheit nie mehr zwischen den beteiligten Parteien angesprochen worden, obwohl es nachweislich viele Gelegenheiten bei persönlichen Begegnungen gegeben hätte. Die spätere Anfrage des Adjutanten beim Polizeipräsidenten Berlins nach alternativen Möglichkeiten führte wohl zu der Feststellung desselben, dass seine Majestät gar kein Kennzeichen benötige. Damit war die Angelegenheit erledigt. Eine juristische Klage wegen eines Automobilkennzeichens wäre ein Fauxpas gewesen, der einen in der Öffentlichkeit behandelten, gesellschaftlichen Skandal nach sich gezogen hätte, den niemand ohne Not riskiert hätte. Davon abgesehen war das Benehmen aller Beteiligten durch gegenseitigem Respekt und Achtung geprägt, was für sich genommen schon eine juristische Auseinandersetzung wegen einer solchen Banalität unmöglich gemacht hätte.
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Die geographischen und verwaltungstechnischen Daten auf dieser Seite basieren auf folgenden Quellen:
• Anschriftenverzeichnis der Zulassungsbehörden AV1 07/24: © Kraftfahrt-Bundesamt
• KFZ-Kennzeichen (KFZ250) von 01.2022: © Bundesamt für Kartographie und Geodäsie
• Digitale Karten: © OpenStreetMap
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• Deutsches Zeitungsportal
• Archivportal-D
• Archiv des MDR
• Archiv der Preußische Allgemeine Zeitung (PAZ)
• DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum e.V.
• Staatsbibliothek zu Berlin-Preußischer Kulturbesitz
• Digitale Universitätsbibliothek Braunschweig
• Deutsches Automobil-Adreßbuch, Greiner & Pfeiffer, Stuttgart 1909